Neuer Alltag in der DDR: Das erste Mal…
Bereits im Dezember 1989 erschien im Männermagazin Playboy das erste Playmate aus der DDR. Die 21 Jahre alte „Miss Januar“, Anja Kossak, eine Zahnarzthelferin aus Magdeburg, sollte gemäß der „Playmate-Philosophie“, das „Girl Next Door“ darstellen. Über den Abdruck des ersten DDR-Playmates im deutschen Playboy teilten sich die Meinungen. Die einen sahen es als Zeichen, dass sich die Zeiten ändern und die Gesellschaft offener wurde, bei anderen nährte sich die Angst vor einem Werteverfall, der sich durch „westliche“ Einflüsse zu entwickeln drohte.

Auf dem Konsumsektor zeigten sich die Veränderungen des DDR-Alltags nach dem Mauerfall eindrücklich. Nachdem jahrzehntelang für die breite Bevölkerung nahezu ausschließlich eigenproduzierte Ware der DDR bzw. Ware aus den „kommunistischen Bruderländern“ zu bekommen war, öffnete sich der Markt im Herbst 1989 schlagartig und viele neue internationale Produkte fanden den Weg in die Verkaufsregale.
Die Eröffnung des ersten Supermarkts der DDR im März 1990 in Haldensleben war ein besonderes Ereignis für die Konsumenten und stand für die neue Ära auf dem Konsumsektor. Zunächst wurden noch überwiegend DDR-Waren verkauft, die bis zur Währungsunion am 1. Juli 1990 auch noch mit DDR-Mark bezahlt wurden. Geplant und realisiert wurde dieser Supermarkt von einer Ost-West-Kooperation zwischen der Handelsorganisation der DDR und einer Handelskette aus dem Westen.
Der Zeitungsmarkt der DDR wurde nach dem Mauerfall rasch bunter und vielfältiger. Am 26. Januar 1990 kam die erste deutsch-deutsche Zeitung der DDR, „Wir sind Leipzig“, heraus, die mit Hilfe eines Verlags aus Nordrhein-Westfalen gedruckt worden war. Viele freiwillige Helfer trugen kostenlose Probeexemplare der Zeitung in ihren Wohngebieten aus oder verteilten sie auf der Straße an Interessierte. Bei einer Umfrage der Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“ äußerten sich die befragten Bürger positiv über die Existenz einer unabhängigen regionalen Zeitung. Ein Passant stellte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Unabhängigkeit der Medien von Politik heraus:
„Wichtig ist, dass auch Zeitungen rauskommen, die garantiert parteifrei von unserer Seite aus sind. Ich mein, dass nicht ganz ohne Partei ist ne Zeitung, ist auch klar. Aber ich glaube, die Möglichkeit, dass man das Gefühl kriegt, dass die Politik, die alte Politik, sich nicht mehr so einheitlich durchsetzt, ist doch schon was wert.“

Im Leipziger Hotel Mercur fand vom 26. bis 28. August 1990 das erste gesamtdeutsche Medienforum der Friedrich-Ebert-Stiftung statt. Die Veranstaltung hatte primär die Zukunft der Medien in Deutschland zum Thema und wurde von Vertretern von Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen, von Mediengewerkschaftlern und Wissenschaftlern aus Ost und West besucht. Die Fachkräfte aus der Medienbranche diskutierten über den medienpolitischen Umbau, der dem Land bevorstand sowie über Konzepte für Landesrundfunkanstalten im Osten. Der Journalist und Moderator des Forums, Reinhard Appel, resümierte:
„Und das Selbstverständnis der DDR, auch der Kollegen hier in der DDR, das immer wieder angemahnt wurde, darf nicht untergehen durch diesen Beitritt. Das soll sich dann auch organisatorisch ausdrücken, indem man also doch etwas, zum Beispiel einen, einen dritten Kanal im Fernsehen belässt, der sich speist aus diesen Landesregionalanstalten, um das Stück Identität für den Übergang zur Normalität noch zu erhalten.“
Der erste Ostermarsch, den Ost- und West-Berliner gemeinsam begingen, führte am 15. April 1990 durch beide Teile der Stadt. Mit 15.000 Teilnehmern traf diese Veranstaltung auf große Resonanz in der Bevölkerung. Im Mittelpunkt dieses deutsch-deutschen Ostermarsches standen Forderungen nach Frieden, Solidarität und Entmilitarisierung, die beide Seiten mit ihrer Teilnahme bekräftigten.
Der Mauerfall und die nahende Wende brachten eine Problematik in die Schlagzeilen der DDR-Presse, auf die von staatlicher Seite aus reagiert werden musste: Obdachlosigkeit. „Offiziell“ hatte es so etwas bisher in der DDR nicht gegeben. Nach dem Mauerfall konnte dieses Problem aber auch im Osten nicht mehr geleugnet werden, insbesondere vor dem Hintergrund der noch bestehenden allgemeinen Wohnungsnot. Die Wahrnehmung dieses Phänomens in der Öffentlichkeit brachte in der Bevölkerung die Befürchtung auf, dass diese Problematik andauern und sich womöglich noch verstärken könnte.
Die Eröffnung des ersten Obdachlosenheims in Ost-Berlin im November 1990 sollte deshalb ein Zeichen dafür sein, dass vom Staat Hilfe zu erwarten war. Zu den ersten Bewohnern dieses Obdachlosenheims gehörten eine vierköpfige Familie, die nach ihrer Rückkehr in die DDR ihre alte Wohnung nicht mehr beziehen konnten, sowie Bürger, die aus unterschiedlichsten Gründen ihre Miete nicht mehr bezahlen konnten.
Literatur
Sommer, Stefan: Lexikon des Alltags der DDR. Von „Altstoffsammlung“ bis „Zirkel schreibender Arbeiter“. Berlin 1999.
Mitteldeutscher Rundfunk (MDR) Leipzig (Hrsg.): Alltag in der DDR: Menschen, Bilder, Dokumente. Weltbild.
Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn (Hrsg.): Der Alltag in der DDR. Bonn 1986.
Neues Deutschland. Organ des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Berlin 1990.
Berliner Zeitung. Berliner Verlag, Berlin 1990.
(aw)